Almanache, Taschenbücher und Kalender

‚Almanach‘ ist ein Sammelbegriff für eine periodisch erscheinende Schrift (meist einmal im Jahr), die kalendarische, astronomische, genealogische oder medizinische Texte und Daten ausgerichtet auf das jeweilige Jahr enthält und damit vorwiegend der Information dient. Ab dem 18. Jahrhundert erfüllen Almanache zunehmend auch Unterhaltungsbedürfnisse. Hier werden verschiedene Themengebiete wie zum Beispiel Musik, Theater, Mode, Reisen, Botanik, Jagd, Forst und Militär fachkundig verhandelt, oft mit aufwendigen Illustrationen versehen. Daneben etablieren sie sich als wichtiges Publikationsorgan literarischer Texte und musikalischer Kompositionen.

Publikationsorgan für Erstdrucke

Mit Erstdrucken sind zum Beispiel die Dichter des Göttinger Hainbundes („Göttinger Musenalmanach“) sowie Goethe und Schiller im Cotta’schen „Musen-Almanach“ („Xenienalmanach“ von 1797, „Balladenalmanach“ von 1798) vertreten. Im „Taschenbuch“ für 1798 erschien Goethes „Hermann und Dorothea“ und im „Historischen Calender für Damen für die Jahre 1791 bis 1793“ Schillers „Geschichte des Dreyßigjährigen Krieges“. Die Almanache „Die Sängerfahrt“ und „Gaben der Milde“ enthalten unter anderem Erstdrucke der Werke von Clemens Brentano und Achim von Arnim. In den Taschenbüchern des Biedermeier sind die Erstdrucke von Adalbert Stifters „Erzählungen“ zu finden, im belletristischen Jahrbuch „Argo. Album für Kunst und Dichtung“ erschienen Erstdrucke von Theodor Storm („Ein grünes Blatt“) und Theodor Fontane („James Monmouth“).

Quelle für die sozial- und kulturhistorische Forschung

Gerade diese, oft über Jahrzehnte hinweg fortgeführten Reihen, sind wichtige Quellen vor allem für die sozial- und kulturhistorisch orientierte Forschung und verschaffen darüber hinaus einen Überblick über die Entwicklung der Druckgraphik in der Buchillustration von Chodowiecki bis Menzel und Hosemann. Genealogisch ausgerichtete Taschenbücher und Kalender, hier vor allem Hof- und Staatskalender, wie zum Beispiel die in Gotha erschienenen genealogischen Taschenbücher und Kalender in ihren unter wechselnden Titeln in deutscher und französischer Sprache erschienenen verschiedenen Reihen, sind ein wichtiges Hilfsmittel für die Familiengeschichtsforschung der regierenden Häuser Europas. Aber auch in ihren Kalendarien, Wert-Tabellen, Messen- und Marktankündigungen, Posttarifen und -kursen vermögen die Almanache, Taschenbücher und Kalender viele Hinweise auf die Geschichte des Alltags zu geben. Verlagsalmanache haben begrenzten Eingang in diese Bestandsgruppe gefunden.

Provenienz

Die Sammlung der Almanache, Taschenbücher und Kalender beruht zu einem Großteil auf der Almanachsammlung des Futtermittelunternehmers Arthur Goldschmidt. Diese 2.000 Bände umfassende herausragende Sammlung von Almanachen aus dem 17. bis 19. Jahrhundert gelangte 1954 in eine Vorgängerinstitution der Herzogin Anna Amalia Bibliothek. Arthur Goldschmidt, der 1935 durch Diskriminierung und Enteignung im Nationalsozialismus an den Rand der Existenzvernichtung getrieben worden war, hatte sie 1936 zu einem Schleuderpreis an das Goethe- und Schiller-Archiv verkauft. 2005 leitete die Bibliothek die Restitution der eindeutig als NS-Raubgut zu identifizierenden Sammlung ein und vereinbarte mit den Erben Goldschmidts den Ankauf der Almanache. 2012 kam das Verfahren vorläufig zum Abschluss.

Vom Oktober 2020 bis Januar 2021 wurden imProjekt Goethe im Almanach 2.0 insgesamt 50 Almanache bevorzugt aus Goldschmidts Sammlung und mit Bezügen zu Johann Wolfgang von Goethe digitalisiert und intellektuell erschlossen. Gefördert wurde das Projekt vom Arbeitskreis selbstständiger Kultur-Institute e.V. (AsKI).

Umfang

Mit rund 4.000 Bänden sind die literarischen Almanache und Taschenbücher der Aufklärung, Empfindsamkeit, Klassik und Romantik in außerordentlicher Dichte im Bibliotheksbestand zu finden. Von Bedeutung sind sie nicht allein für die editorische Forschung aufgrund der zahlreich enthaltenen Erstdrucke. Besonders für die sozial- und kulturhistorische Forschung stellen sie darüber hinaus eine wichtige Quelle dar.

Bearbeitungsstand

Die Sammlung der Almanache, Taschenbücher und Kalender wird fortlaufend durch gezielte Ankäufe ergänzt.

Durch das Projekt Goethe im Almanach 2.0 wurden circa 50 Almanache mit Goethe-Bezügen digitalisiert und die enthaltenen Illustrationen erschlossen. In diesem Zusammenhang wird erstmals auch die Almanach-Dokumentation von Arthur Goldschmidt auf mehr als 50.000 Karteikarten beschrieben und in ihren wesentlichen Erschließungs- und Ordnungsprinzipien dargestellt. Die bibliografischen Informationen aus Goldschmidts Publikation „Goethe im Almanach“ wurden für den Bibliothekskatalog und die Digitalen Sammlungen umfangreich ausgewertet.

Weiterführende Links

Alle Publikationen zur Sammlung von Almanachen, Taschenbüchern und Kalendern in der Bibliographie zur Geschichte der Herzogin Anna Amalia Bibliothek und ihrer Bestände

Die Almanach-Sammlung von Arthur Goldschmidt im Online-Katalog der Herzogin Anna Amalia Bibliothek 

Die Almanach-Sammlung von Arthur Goldschmidt in den Digitalen Sammlungen der Herzogin Anna Amalia Bibliothek 

Erinnerungsprojekt „Tsurikrufn!“ mit einem Porträt über Arthur Goldschmidt und seine Sammlung

Weiterführende Literatur

Marwinski, Felicitas: Almanache, Taschenbücher, Taschenkalender. Weimar: Thüringische Landesbibliothek, 1967. (im Katalog)

Almanache, Taschenbücher und Kalender 1750 bis 1860. Bestandsverzeichnis der Herzogin Anna Amalia Bibliothek. Bearbeitet von Gabi Schwitalla unter Verwendung von Vorarbeiten von Erdmann von Wilamowitz-Moellendorff. Im Auftrag der Klassik Stiftung Weimar / Herzogin Anna Amalia Bibliothek. Weimar: Klassik Stiftung Weimar, 2012. (im Katalog, Digitalisat)

Niemann, Alexander: Adress-, Hof- und Staatskalender in der Anna Amalia Bibliothek in Weimar. In: Der Herold, Bd. 51 (2008), Heft 3, S. 338-349. (im Katalog)

Weber, Jürgen: In der Kontaktzone. Verschleuderung und Restitution der Almanachsammlung Arthur Goldschmidts in Weimar. In: Zeitschrift für Bibliothekswesen und Bibliographie, Bd. 66 (2019), Heft 5, S. 235-242. (im Katalog)

 

Vorhaben der Klassik Stiftung Weimar werden gefördert durch den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) und den Freistaat Thüringen, vertreten durch die Staatskanzlei Thüringen, Abteilung Kultur und Kunst.

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